Die Schultheateraufführung von Molières "Der Geizige" an der Erich-Bracher-Schule war ein beeindruckendes Erlebnis, das sowohl das Talent der jungen Schauspieler als auch die kreative Interpretation des eingespielten Regieteams bestehend aus den Herren Cavallo und Schefczik unter Beweis stellte. Die Abwandlung des Originaltextes verlieh dem klassischen Stück eine frische und moderne Note, die das Publikum von Anfang an fesselte.
Der Abend begann mit einer originellen Einleitung durch die Talkmaster Ganz und Recht, gespielt von zwei ehemaligen Schülern (Sebastian Cadei und Aeneas König). Sie diskutierten das Thema Glückseligkeit auf humorvolle und philosophische Weise. Herr Recht überraschte mit der Aussage, dass wahre Glückseligkeit auch darin liege, beim Restaurantbesuch großzügig Trinkgeld zu geben. Diese Aussage führte zu einem lebhaften Widerspruch aus dem Publikum, der geschickt in die Handlung eingebaut wurde. Der Rufer entpuppte sich als niemand Geringerer als Harpagon, der mit seiner geizigen Natur sofort für Lacher und Kopfschütteln sorgte.
Nach diesem unterhaltsamen Proömium begann das eigentliche Stück, das mit viel Schwung und Energie vorgetragen wurde. Die Inszenierung bestach durch ein minimalistisches Bühnenbild, das dem stark von Text und Schauspielern getragenen Stück noch mehr Gewicht verlieh. Dass das gelingen konnte, lag an den Fähigkeiten der acht DarstellerInnen, von denen vier zum ersten Mal auf der Bühne standen. Sie beeindruckten mit ihrem Können und ihrer Fähigkeit, die komischen und tragischen Elemente von Molières Werk gleichermaßen zu betonen.
Da waren neben Dennis Nadler als cholerischer Harpagon auch sein aufsässiger und sowohl in beruflicher als auch privater Hinsicht aufstrebender Sohn Francois, gespielt von Dean-David Treiber. Dieser ist verliebt in Marianne, deren Rolle als Zankapfel zwischen Vater und Sohn von Rana Kavakli verkörpert wurde. Maja Thiemann spielte Harpagons Tochter Elise, die am liebsten mit Valere (Hanno Schlottke) durchbrennen würde, wogegen dieser sich lieber ganz devot von dem alten Geizhals ausnehmen lässt, um ihn sich wohlgesonnen zu stimmen. Dabei wird er – passend zur kaufmännischen Schule – nebenbei noch in basalen Themen des Rechnungswesens durch den Schwiegervater in spe belehrt. Doch nicht nur Harpagon ist nur aufs Geld aus. Auch Emilija Hübner in der Rolle der Heiratsvermittlerin Frosine, die nebenbei auch noch als Vermittlerin für Kreditgeschäfte ein Zubrot verdient, ist immer auf einen guten Schnitt aus. Dabei verliert sie aber regelmäßig die Kontrolle über ihre eingeleiteten Schritte. Auch Claudine (Anna Bravermann) verliert als von Harpagon um den Lohn geprelltes Dienstmädchen die Kontrolle. Als sie im Haus des reichen Knauserichs einen Waschbären zu entdecken vermutet, jagt sie diesem lauthals schreiend mit einem Besen bewaffnet durch die gesamte Pattonviller Bürgerhalle nach. Gehetzt aber immer noch gewitzt oder doch besser wahnwitzig kommt Juliette (Jenny Nadler) auf die Idee, das Geld von Francois, das ihr ihre beste Freundin Elise zur sicheren Verwahrung anvertraut hatte, in Lotto-Lose zu investieren. Und so kann sie gleich einem deus ex machina für ein Happy-End sorgen. Denn offenkundig fällt der Apfel in der Familie Harpagon sehr weit vom Stamm. Francois nämlich ist nun bereit, seinen großen Reichtum dergestalt einzusetzen, dass alle an ihre Ziele kommen und einzig der Patriarch von allen verlassen mit seinem Reichtum zurückbleibt.
Besonders hervorzuheben sind die Leistungen des jungen Schauspielers Dennis Nadler in der Rolle des Harpagon, der die Essenz des geizigen Patriarchen mit Bravour einfing und das Publikum mit seinem Spiel in den Bann zog. Daneben gebührt der Schülerin Rana Kavakli viel Respekt, da sie erst seit zwei Jahren in Deutschland ist und derzeit das AVdual an der Erich-Bracher-Schule besucht. Es war bemerkenswert, wie sicher die junge Frau ihre Rolle auf der Bühne ausfüllte und zeigte auf eindrucksvolle Weise, dass zusätzliche kulturelle Angebote wie eine Theater-AG die Integration befördern können.